Widerruf einer Heilpraktikererlaubnis

Das Verwaltungsgericht Bremen hat am 26.09.2013 (5 K 909/12) entschieden, dass ein Heilpraktiker, der seinen schwer erkrankten Patienten dazu rät, ohne weitere Rücksprache die ärztlich verordneten Medikamente abzusetzen, berufsrechtlich unzuverlässig sei. In einem solchen Fall habe die Behörde daher nach § 7 Abs. 1 Satz 1 der 1. DVO HeilPrG die Heilpraktikererlaubnis zu widerrufen.

Das Gericht hat dies wie folgt begründet:

An der Zuverlässigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. f der 1. DVO-HeilPrG fehlt es, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Heilpraktiker werde in Zukunft die Vorschriften und Pflichten nicht beachten, die sein Beruf mit sich bringt, und sich dadurch Gefahren für die Allgemeinheit oder die von ihm behandelten Patienten ergeben. Das Merkmal der Zuverlässigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Behörde weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessensspielraum eröffnet und der daher gerichtlich voll überprüfbar ist. Wegen der Bedeutung der durch einen unzuverlässigen Heilpraktiker gefährdeten Rechtsgüter sind an die erforderliche Prognose strenge Anforderungen zu stellen. Die Prognose ist anhand der Umstände des Falles, der Lebensumstände des Heilpraktikers sowie seiner Persönlichkeit, insbesondere seines durch die Art, die Schwere und die Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten manifest gewordenen Charakters, zu treffen. Bereits ein einmaliges Fehlverhalten kann den Schluss auf die Unzuverlässigkeit des Heilpraktikers rechtfertigen.

Die Klägerin hat vorliegend in wenigstens drei Fällen gegen Berufspflichten verstoßen. Sie hat durch ihr Verhalten bei der Behandlung der Patienten D., E. und G. gezeigt, dass sie entweder nicht willens oder nicht in der Lage ist, elementare Berufspflichten eines Heilpraktikers zu beachten. Eine derartige zentrale Anforderung an einen Heilpraktiker besteht im Hinblick auf die vom Gesetzgeber angestrebte Abwehr von Gesundheitsgefahren darin, im Fall schwerwiegender Erkrankungen, die eine ärztliche Behandlung erforderlich machen, dieser nicht im Wege zu stehen.

Ein Heilpraktiker darf das Unterlassen der Inanspruchnahme notwendiger ärztlicher Hilfe nicht veranlassen oder stärken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.06.2004 – 2 BvR 1802/02 -, juris Rn. 21).

Charakterliche Zuverlässigkeit und verantwortungsbewusstes Handeln eines Heilpraktikers müssen daher gewährleisten, dass der Patient nicht im Glauben bleibt, eine ärztliche Behandlung werde durch den Heilpraktiker ersetzt. Denn die Vernachlässigung einer notwendigen ärztlichen Behandlung bewirkt eine zwar nur mittelbare, aber erhebliche Gesundheitsgefährdung. Als unzuverlässig ist ein Heilpraktiker daher auch dann anzusehen, wenn er dazu beiträgt, notwendige ärztliche Behandlungen zu verhindern oder auch nur zu verzögern bzw. einen Patienten dazu veranlasst, auf die diesem ärztlich verordnete Behandlung, insbesondere die Einnahme der ihm verschriebenen Medikamente, zu verzichten und stattdessen seinen eigenen Ratschlägen zu folgen, obwohl er die von einem derartigen Wechsel der Therapie bei der vorliegenden Erkrankung ausgehenden Gefahren hätte kennen müssen. (…)

Bereits der dargelegte Pflichtenverstoß reicht zur Begründung der fehlenden sittlichen Zuverlässigkeit der Klägerin aus, da das abrupte Absetzen ärztlich verordneter Medikamente bereits abstrakt eine erhebliche Gefährdung von Patienten bedeutet. Ein Heilpraktiker, dem, wie der Fall D. anschaulich zeigt, von seinen Patienten Vertrauen entgegengebracht wird, handelt schlicht verantwortungslos, wenn er Patienten dazu rät, ärztlich verordnete Medikamente nicht weiter einzunehmen. (…)

Auch im Fall der Zeugin E., die an Parkinson erkrankt ist, hat sich die Klägerin über die ärztlich verordnete Behandlung der Zeugin erhoben und deren notwendige Fortführung verhindert, in dem sie ihr geraten hat, die ihr ärztlich verordneten Medikamente nicht weiter einzunehmen, weil sie angeblich nicht an Parkinson erkrankt sei. (…)

Im Fall der verstorbenen G. hätte die Klägerin ihrer Patientin eindringlich dazu raten müssen, einen Arzt aufzusuchen. Der Zeuge G. hat glaubhaft bekundet, dass seine verstorbene Ehefrau eine regelrechte Phobie vor Ärzten gehabt habe. Gerade deshalb wäre es an der Klägerin gewesen, Frau G. darauf aufmerksam zu machen, dass sie eine ärztliche Behandlung nicht zu ersetzen vermag. Die Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass sie genau dies getan habe, sind als Schutzbehauptung zu werten. Gegen die Einlassung der Klägerin spricht überdies, dass sie etwaige Hinweise auf die Notwendigkeit einer ärztlichen Abklärung nicht dokumentiert hat. Hierzu wäre sie aber nach Art. 4 Nr. 4 der Berufsordnung für Heilpraktiker verpflichtete gewesen (vgl. VG Hannover – Beschluss vom 26.05.2010- 5 B 2650/10 -, juris Rn. 26). Insoweit verkennt das Gericht nicht, dass die besonderen Berufspflichten eines Heilpraktikers und mithin auch die Maßstäbe für seine Zuverlässigkeit gemäß § 2 Abs. 1 f. 1. DVO in einem Spannungsfeld stehen:

Ein Patient, der parallel zu, nach Abbruch einer oder statt einer fachärztlichen Behandlung eine alternative Therapie durch einen Heilpraktiker wünscht, weiß in der Regel, dass dieser keine naturwissenschaftlich-fachmedizinische Kompetenz besitzt. Für das freiheitliche Menschenbild des Grundgesetzes ist es selbstverständlich, dass der Bürger Heilung und/oder Linderung seiner Beschwerden nicht nur in der Schulmedizin suchen muss. Wer sich in die Behandlung eines Heilpraktikers begibt, wünscht gerade eine Therapie jenseits der üblichen Methoden der Fachmedizin und legt eventuell gerade Wert auf solche Behandlungsmethoden, deren Wirksamkeit von der Schulmedizin nicht oder nur zum Teil anerkannt wird (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 18.11.2008 – 7 A 1324/08 -, juris Rn. 58). Dennoch trifft den Heilpraktiker eine Pflicht, seinen Patienten zu verdeutlichen, dass er eine ärztliche Behandlung nicht ersetzen kann. Dies folgt bereits aus Art. 4 Nr. 6 und Nr. 7 der Berufsordnung für Heilpraktiker, wonach sich Heilpraktiker stets ihrer erworbenen Fähigkeiten sowie den Grenzen ihres Wissens und Könnens bewusst zu sein haben und in Fällen, in denen eine Spezialuntersuchung, eine Operation oder eine sonstige therapeutische Maßnahme erforderlich ist, die vom Heilpraktiker nicht selbst vorgenommen werden kann, rechtzeitig mit allem Nachdruck auf die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme hinweisen sollen. Daher kann sich die Klägerin auch nicht darauf zurückziehen, sie sei als Heilpraktikerin nur für die naturheilkundige Behandlung ihrer Patienten zuständig und es falle allein in die Verantwortung der von ihr behandelten Patienten, ob sie zusätzlich auch einen Arzt aufsuchten.

Fazit: Prüfen Sie bei der Diagnose sorgfältig, ob eine ärztliche (Begleit-)Behandlung erforderlich ist. Falls ja, machen Sie den Patienten hierauf aufmerksam und dokumentieren Sie diesen Hinweis. Keinesfalls sollten Sie einen Ratschlag erteilen, der der ärztlichen Therapie widerspricht.