Frage 2 Allgemein

  • Wo verlaufen die rechtlichen Grenzen für gesetzliche Einschränkungen der Methoden-/Therapiefreiheit der Heilpraktiker?
  • Was hat der Gesetzgeber bei einer möglichen Ausweitung von bestehenden Tätigkeitsverboten für Heilpraktiker (z.B. aus dem AMG, TFG, IfSG) oder bei der Neubegründung von Arztvorbehalten zu beachten?
  • Wäre ein Verbot invasiver Verfahren oder ein Behandlungsverbot einzelner, besonders schwerer Erkrankungen zulässig?

Gliederung

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

1 Abs. 1 HPG berechtigt die Inhaber einer Heilpraktiker-Erlaubnis dazu, Heilkunde auszuüben; Heilpraktiker besitzen arztähnliche Kompetenzen: Sie dürfen grundsätzlich umfassend diagnostisch und therapeutisch tätig werden. Allerdings existieren zahlreiche Arztvorbehalte, welche Heilpraktiker von einzelnen medizinischen Tätigkeiten ausschließen.

Ein weiterer einschränkender Faktor der zulässigen Therapieverfahren liegt in zivilrechtlichen Sorgfaltspflichten und strafrechtlichen Vorgaben. Die Methodenwahlfreiheit des einzelnen Heilpraktikers kann ferner auf Grundlage der gefahrenabwehrrechtlichen Generalklausel im Einzelfall ordnungsbehördlich eingeschränkt werden.

Dem Gesetzgeber steht die Befugnis zu, die vorgefundene Betätigungsform (Heilpraktiker) festzulegen und für sie angemessene, sich aus der Sache heraus ergebende Zugangsvoraussetzungen und Ausübungsregelungen aufzustellen.

Ansatzpunkte für eine Verschärfung der zivil- oder strafrechtlichen Vorgaben sind nicht ersichtlich. Sofern der Gesetzgeber beabsichtigt, heilkundliche Tätigkeiten der Heilpraktiker weiter einzuschränken, stehen ihm unter den aktuellen rechtlichen Gegebenheiten folgende Anknüpfungspunkte zur Verfügung:

– Untersagung bestimmter Therapiemethoden (z.B. invasive Eingriffe wie das blutige Schröpfen, Injektionen, Infusionen, Eigenblutbehandlungen),

– Verbot der Behandlung einzelner schwerer Krankheiten (z.B. Krebs),

– Begrenzung der Befugnis des Heilpraktikers auf den Bereich der Naturheilkunde, hierzu könnten insbesondere klassisch schulmedizinische oder kosmetische Behandlungsformen von der Behandlungsbefugnis ausgenommen werden.

Um dies umzusetzen, könnten der Gesetzgeber bestehende Tätigkeitsverbote ausweiten oder neue Arztvorbehalte einführen.

Dem Gesetzgeber ist keine beliebige Einschränkung der Befugnisse von Heilpraktikern gestattet. Jede seiner Maßnahme, welche die Berufsausübung des Heilpraktikers beschränkt, ist als grundrechtsrelevanter Eingriff an Artikel 12 GG (Berufsfreiheit) zu messen. Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Einschränkungen des Grundrechts stehen unter dem Gebot strikter Wahrung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit. Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weiter gehen, als die sie legitimierenden öffentlichen Interessen erfordern. Die Eingriffsmittel müssen zur Erreichung der angestrebten Zwecke geeignet und erforderlich sein und dürfen nicht übermäßig belastend wirken.

Vor Einführung eines Arztvorbehaltes hat der Gesetzgeber mildere Mittel in Erwägung zu ziehen. Er hat zu prüfen, ob eine Erhöhung des Fachstandards des Heilpraktikers gegenüber einem Tätigkeitsverbot ein geeignetes und effektives milderes Mittel wäre.

Die Einbeziehung einer Tätigkeit in den Arztvorbehalt steht mit Art. 12 Abs. 1 GG insbesondere dann nicht in Einklang, wenn die Voraussetzungen der Zulassung zum Arztberuf an Berufsbewerber, die nur diese Tätigkeit leisten wollen, unangemessen hohe Anforderungen stellt und die Tätigkeit auf Grundlage einer Heilpraktikererlaubnis ohne Gefährdungen ausgeübt werden kann.

Es verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn von einem Berufsbewerber Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt werden, die in keinem Verhältnis zu der geplanten Tätigkeit stehen. Eine Regelung darf im Ganzen nicht zu einer Verzerrung der überkommenen und tatsächlich bestehenden Verhältnisse im Bereich der betroffenen Berufe führen. Die rechtliche Erörterung darf an einem bereits ausgeprägten Berufsbild nicht ohne weiteres vorbeigehen. Nachdem sich eine selbständige Tätigkeit entwickelt hat, darf der Gesetzgeber sie nur dann als selbständigen Beruf beseitigen, wenn der Fortführung der frei entwickelten Tätigkeitsform wichtige Gründe des Gemeinwohls entgegenstehen. Solche Entwicklungen sind gegenwärtig nicht festzustellen.

Ein Tätigkeitsverbot sämtlicher invasiven naturheilkundlicher Verfahren hätte den vollständigen Verlust dieser Heilverfahren zur Folge und wäre unverhältnismäßig. Auch ein pauschales Verbot der Behandlung einzelner, schwerwiegender Erkrankungen (wie z.B. Krebs oder HIV) steht in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis. Es dürfte eher ein Vollzugsdefizit, als eine normative Regelungslücke bestehen. Zudem würden dem Gesetzgeber gegenüber einem Verbot weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen.

Die fehlende Reglementierung des Berufsrechts stellt einen zentralen Kritikpunkt an der Heilpraktikerschaft dar und macht den Berufsstand rechtlich angreifbar. Es besteht ein rechtliches Legitimationsdefizit; Heilpraktiker können ihre fachlichen Kompetenzen rechtlich nicht nachweisen. Eine aktive Ausgestaltung des Berufsrechts kann weiteren Einschränkungen entgegenwirken.