Handlungspflichten nach Unterlassungserklärungen oder einstweiligen Verfügungen

Was ist nach Abgabe einer Unterlassungserklärung oder Erlass einer einstweiligen Verfügung zu tun, um eine Vertragsstrafe oder ein Ordnungsgeld zu vermeiden? (Am Beispiel von unzulässigen Werbeaussagen eines Heilpraktikers)

Als Unterlassungsschuldner müssen Sie einen von Ihnen geschaffenen und noch andauernden Störungszustand beseitigen. Dies gilt sowohl für den streitgegenständlichen Verstoß, als auch für kerngleiche (=ähnliche) Verstöße, die schon zuvor (neben dem oder unabhängig vom streitgegenständlichen Verstoß) bestanden haben. Dies gilt z.B. für weitere rechtswidrige Passagen auf der Webseite, die zwar nicht ausdrücklich untersagt wurden, aber von der Bedeutung den untersagten Punkten entsprechen.

Nach Abgabe der Unterlassungserklärung bzw. dem Erlass einer einstweiligen Verfügung sind Sie ab sofort verpflichtet, die in der Verfügung zitierten Werbeaussagen zu unterlassen. Dies gilt für alle Ihre Werbeträger sowie zeitlich unbefristet. Falls Sie hiergegen verstoßen, droht der Erlass einer Ordnungsstrafe zugunsten der Staatskasse oder eine Vertragsstrafe. Sie sollten alle (Online)Werbemittel (Internetpräsenz, Flyer, Anzeigen, Einträge) sowie den Cache von Suchmaschinen auf Verstöße überprüfen. Sofern dies noch nicht erfolgt ist, deaktivieren Sie Ihre Internetpräsenz umgehend und schalten Sie diese erst nach einer sorgfältigen Überprüfung wieder frei.

Hafte ich für Dritte, die meine Inhalte möglicherweise übernommen haben? (z.B. Jameda, Branchenverzeichnisse)

Ferner müssen Sie auf Dritte einwirken, wenn Ihnen

– deren Handeln wirtschaftlich zugute kommt,
– sie mit einem Verstoß ernstlich rechnen mussten
– und Sie zudem Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten des Dritten haben.

Liegen diese Voraussetzungen vor, können Sie sich nicht darauf berufen, dass der Verstoß ohne Ihr Zutun erfolgt sei. Sie haften dann auch für den Verstoß des Dritten.

Wirtschaftlich kommt Ihnen das Handeln eines Dritten zugute, wenn zwischen Ihnen und dem Veröffentlichenden eine marktbezogene rechtliche Beziehung besteht, beispielsweise in Form einer Zusammenarbeit bei der Werbung. Es reicht jedoch bereits aus, dass das Verhalten für Sie tatsächlich nützlich ist.

Ob Sie mit einem Verstoß rechnen mussten, hängt von den Umständen des Einzelfalls und von den Gepflogenheiten in Ihrem geschäftlichen Umfeld ab. Maßgeblich ist das, was ein objektiver, sachkundiger Dritter erwartet hätte. Wird Ihr Internetauftritt über eine Trefferliste einer Suchmaschine oder ein Verzeichnis der Suchmaschine angezeigt, wird Ihnen dies stets zugerechnet. Denn die Weiterverarbeitung und die Wiedergabe von geschäftlichen Angaben im Internet durch Suchmaschinen sind zu erwarten. Sie müssen deshalb sowohl für diese wie auch für Übernahmen in andere Internetveröffentlichungen einstehen, sofern diese branchenüblich sind. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufnahme in ein Verzeichnis der Suchmaschine von Ihnen gewünscht war.

Wichtig: Auch mit der Aufnahme von Inhalten in „Cache-Speicher” der Suchmaschinenbetreiber müssen Sie rechnen. Es ist bekannt, dass Suchmaschinenbetreiber diese Speicher anlegen und aus ihnen Inhalte auch dann noch anzeigen, wenn die Ausgangsseite bereits gelöscht ist. Aus diesem Grund müssen Sie bei rechtswidrigen Inhalten einen Löschungsantrag bzgl. des Cache-Speichers stellen. Tauchen rechtswidrige Treffer aus einem Cache-Verzeichnis auf, werden Ihnen diese zugerechnet.

Auch mit der Übernahme von Angaben aus Ihrer Werbung (insbesondere Ihrer Internetpräsenz) in (Branchen-)Verzeichnisse oder Telefonbücher müssen Sie rechnen. (z.B. Kontaktdaten oder Angaben aus dem Impressum)

Eine Haftung setzt zudem eine Einflussmöglichkeit auf den Dritte Ihrerseits voraus. Wenn Sie auf den Dritten weder rechtlich noch tatsächlich Einfluss nehmen können, haften Sie nicht für den Störungszustand.

Sind diese Kriterien erfüllt, setzt eine Haftung zudem noch ein Verschulden Ihrerseits voraus. Dies kann nur dann entfallen, wenn Sie alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen haben, um Zuwiderhandlungen durch Dritte (Angestellte und Beauftragte) zu verhindern. Sie sind verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf Dritte einzuwirken. Sie müssen dabei diejenigen Maßnahmen umsetzen, die aus der Sicht eines objektiven Dritten nach menschlichem Ermessen erforderlich sind, um sicherzustellen, dass die bereits eingetretene Störung unverzüglich beseitigt wird und dass in Ihrem Verantwortungsbereich keine neuen Verstöße mehr erfolgen. Dabei schulden Sie größte Sorgfalt. Objektiv Unmögliches schulden Sie allerdings nicht.

Sie müssen Ihren eigenen Geschäftsbetrieb auf etwaige Verstöße überprüfen. Darüber hinaus müssen Sie aber auch aktiv nach Drittverstößen suchen. Ist der Rechtsverstoß auf einer Internetseite erfolgt, müssen Sie unverzüglich nach der Titulierung alle bedeutenden Suchmaschinen und alle möglichen Verletzerseiten gewissenhaft auf zu beseitigende Inhalte überprüfen.

Fördert eine solche Recherche keinen Verstoß mehr zutage, müssen Sie dennoch nach angemessener Zeit erneut stichprobenartige Überprüfungen durchführen, um sicherzustellen, dass weder Altverstöße fortbestehen oder erneut den Weg in die Trefferliste einer relevanten Suchmaschine gefunden haben, noch neue entstanden sind. Angemessen ist ein Intervall von zunächst einem Monat, danach zwei und schließlich weiteren drei Monaten. Bleiben diese Nachprüfungen ergebnislos, können Sie Ihre Kontrollen nach Ablauf eines halben Jahres einstellen. Werden Sie jedoch später auf einen Verstoß hingewiesen, müssen Sie diesen erneut beseitigen.

Ihre Aufforderungen an Dritte müssen mit dem gebotenen Nachdruck erfolgen. Erforderlich ist zunächst, auf die Personen, die Sie angehen müssen, durch Belehrungen und Anordnungen einzuwirken. Sie müssen auf die Nachteile aus dem Verstoß deutlich hinweisen und Rückmeldungen anfordern. Setzen Sie Fristen und drohen Sie (ggfs. prozessuale) Sanktionen für die Nichteinhaltung der Anordnung an. Weisen Sie den Dritte ausdrücklich darauf hin, dass Ihre verbotene Werbung nicht mehr erscheinen darf. Überwachen Sie zeitnah, ob die Beseitigung erfolgt ist. Falls nicht, sind die angedrohten Sanktionen umzusetzen.

Update März 2021:

Mit Urteil vom 02.07.2020 hat der EuGH entschieden, dass bei einer Markenverletzung keine Pflicht des Unterlassungsschuldners zur Löschung auf Internetseiten Dritter besteht, die rechtsverletzende Inhalte (z.B. einen Branchenbucheintrag) selbstständig übernommen haben. (EuGH 10. Kammer, Urteil vom 02.07.2020 – C-684/19).

Zwar erging das Urteil in einem markenrechtlichen Verfahren, es dürfte dennoch auch die nationale Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht beeinflussen.

In markenrechtlichen Streitigkeiten können die Rechteinhaber sich zukünftig nicht mehr ausschließlich auf ein Vorgehen gegen den „Erstverletzer“ beschränken, wenn sie eine Löschung auf Internetseiten unabhängiger Dritter erreichen wollen. Sie müssen gegen diese Betreiber selbst vorgehen.

Wichtig: Aufgrund dieser strengen Vorgaben der Rechtsprechung ist es dringend anzuraten, nach Erhalt einer einstweiligen Verfügung anwaltlichen Rat in Anspruch zu nehmen. Gleiches gilt für Gerichtsurteile oder Unterlassungserklärungen.